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Gegenvorschlag ohne Biss

In einem geben alle der Kernaussage der Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen“ recht: In der Vergangenheit sind zu viele Zweitwohnungen gebaut wurden. Der indirekte Gegenvorschlag sei nun der richtige Weg, um das Problem anzugehen – behaupten die Initiativgegner. Wir haben den Gegenvorschlag genauer angeschaut. Pikant: mehrere Politiker, die den Gegenvorschlag nun als gute Lösung anpreisen, haben ihn im Parlament bekämpft.

Der indirekte Gegenvorschlag war eine Reaktion der eidgenössischen Räte auf die Zweitwohnungsinitiative, die Anfang 2008 offiziell zustande gekommen war. Er trat im Juli 2011 in Form einer Änderung des Raumplanungsgesetzes (RPG) in Kraft. Sie verpflichtet die Kantone, ihre Richtpläne innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung anzupassen und dafür zu sorgen, dass Gemeinden innerhalb der gleichen Frist geeignete Massnahmen treffen.

Im ergänzten RPG (Art. 8 Abs. 2) heisst es: «Sie [die Kantone] bezeichnen die Gebiete, in denen besondere Massnahmen ergriffen werden müssen, um ein ausgewogenes zwischen Erst- und Zweitwohnungen sicherzustellen.» Inhaltlich schafft das ergänzte RPG also keine Klarheit. Was sind denn besondere Massnahmen? Konkrete Vorgaben fehlen und die Wirksamkeit der Massnahmen wird sich erst in der Praxis überprüfen lassen.

Und: Was ist denn ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Erst- und Zweitwohnungen? Die vom Ständerat geforderten Kriterien (Landschafts- und Ortsbild, Angebot an preisgünsti­gem Wohnraum für Einheimische, Beanspruchung vorhandener Bauzonen, touristische Qualität) wurden in der Einigungskonferenz fallengelassen. Auf quantitative Ziele wird ganz verzichtet. Der Gegenvorschlag ist nicht griffig und lässt zuviel Spielraum für noch mehr Zweitwohnungen. Statt quantitativer Vorgaben sind Gummiparagraphen eingefügt.

Pikant: Mehrere Politiker, die den Gegenvorschlag nun preisen, haben ihn oder Teile davon aktiv bekämpft. So spielt etwa Theo Maissen ein Doppelspiel. Als Präsident der Schweize­rischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete bezeichnet er den Gegenvorschlag als «differenzierte Lösung». Als damaliger CVP-Ständerat (GR) beantragte er, die von der Ständeratskommission in Art. 8 RPG eingefügten Absätze 3 und 4 zu streichen (Antrag vom 29. November 2010), um konkrete Vorgaben zu verhindern.

Auch die FDP bekämpft die Initiative mit Hinweis auf den Gegenvorschlag. Doch ausgerechnet Parteipräsident Fulvio Pelli lehnte den Gegenvorschlag in der damaligen Schlussabstimmung ab. Leider hatten die Gegner bei der Verwässerung des indirekten Gegenvorschlags zu einem beträchtlichen Teil Erfolg. Resultate sind ein Gegenvorschlag ohne Biss und gewisse Politiker, die sich nun als Retter der Landschaft aufspielen, nachdem sie ebendiesem die Zähne gezogen haben.

Ausführlichere Infos dazu finden Sie hier.

 

Initiativgegner verstricken sich in Widersprüchen

Plötzlich kam die Reaktion. Das Zustandekommen der Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen“ im Jahr 2008 war wie ein Weckruf. Seither gestehen sogar Vertreter von betroffenen Gemeinden und touristischen Regionen wie Ständerat Hannes Germann ein: „Der allzu sorglose Umgang mit Bauland in unserem Land an allzu vielen Orten zur Zersiedlung geführt.“

Dies sagte der Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes wörtlich anlässlich der Medienkonferenz vom 30. Januar 2012 „Nein zur Volksinitiative Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen“. Erstaunliche Worte angesichts der Tatsache, dass im Schweizer Alpenraum während Jahrzehnten ein „Laisser-faire“ herrschte. Jahrzehntelang konnten Zweitwohnungen praktisch ungehemmt gebaut werden.

Nun spielen sich Politiker, die vorher tatenlos der uferlosen Überbauung der Bergtäler zuschauten, oder gar daran mitverdienten, plötzlich als Problemlöser und Retter der Landschaft auf. Stets berufen sie sich dabei auf das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG). Bemerkenswert ist, dass auch alt Ständerat Theo Maissen an derselben Medienkonferenz das revidierte RPG verfocht.

Pikant: In der Wintersession 2010 hatte Maissen noch beantragt, selbst die minimalen Vorschriften im überarbeiteten Artikel 8 des RPG zu streichen.

Dies ist nur einer von verschiedenen offensichtlichen Widersprüchen, in welche sich die Initiativ-Gegner verstricken. Als Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) macht er die Verdrängung der einheimischen Bevölkerung infolge steigender Immobilien- und Mietpreise nicht zum Thema.

Die Volksinitiative setzt eine Obergrenze für Zweitwohnungen, gültig für die ganze Schweiz. Sie ist fair und notwendig für diejenigen Gemeinden, die heute noch nicht aktiv geworden sind und den Weckruf noch nicht gehört haben.

UVEK benutzt irreführende Argumente

Die heutige Medienkonferenz des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) über die Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen“ wirft Fragen auf. Man wird den Verdacht nicht los, dass Bundesrätin Doris Leuthard und der Bündner Regierungsrat Hansjörg Trachsel die Medienkonferenz bewusst benutzten, um die Bevölkerung mit irreführenden Behauptungen zu verwirren. 

So vermischten die Exponenten mehrfach die Begriffe Zweitwohnungen und kommerziell vermietete Ferienwohnungen. Sie behaupteten, die Zweitwohnungsinitiative tangiere die für die Bergregionen sehr wichtige Parahotellerie. Damit fechten sie mit falschen Argumenten, denn als Zweitwohnung wird eine zweite Wohnung bezeichnet, die von Privatpersonen während des Jahres nur zeitweise zur Ferienzwecken genutzt wird.

Nicht unter den Begriff Zweitwohnung fallen:

  • Ferienwohnungen, die kommerziell vermietet werden (Parahotellerie). Diese werden auch viel intensiver genutzt (durchschnittlich 200 Nächte) als Zweitwohnungen (30 bis 60 Nächte/Jahr).
  • Nebenwohnsitze für Schul- und Arbeitszwecke.

Die Ferienwohnungen dürfen auch nach Annahme der Initiative weiter gebaut und vermietet werden. Das Kriterium zur Definierung der Zweitwohnungen ist die Dauer der Bewohnung. Also fallen sogenannte Miet-Ferienwohnungen nicht unter die Begrenzung.

Eine weitere Behauptung der Exponenten: Gemeinden, in denen heute der Anteil an Zweitwohnungen noch unter 20 Prozent liegt, sähen sich nach Annahme der Initiative einer grösseren Nachfrage nach Bauland ausgesetzt, was die Zersiedlung verstärke. Tatsache ist: Auch Zweitwohnungen dürfen nur in der Bauzone gebaut werden. Eine Verlagerung ist deshalb nur insoweit möglich, als eine noch nicht überbaute Wohnbauzone in einer Gemeinde mit weniger als 20 Prozent Zweitwohnungen besteht. Gemeinden können im Übrigen auch tiefere Zweitwohnungs-Anteile in ihrer Bauordnung festschreiben.

Interessant ist, dass selbst der Bundesrat unsere Auffassung teilt, „dass es im Zweitwohnungsbau strenge Vorschriften braucht“ (Medienmitteilung vom 13.1.2012). Der vom Parlament ausgearbeitete indirekte Gegenvorschlag ist indessen eine Scheinlösung: er gibt lediglich Direktiven und verhindert auch in Zukunft den uferlosen Bau von Zweitwohnungen nicht, denn es fehlen ihm die griffigen Massnahmen zur Durchsetzung. 


Lasst uns ein Zeichen setzen!

Jetzt ist Zeit, ein klares Zeichen zu setzen. Ein Signal gegen noch mehr Zweitwohnungen in der Schweiz. Nun ist es soweit: Unsere Kampagne wird eröffnet.

Am Dienstag, 10. Januar 2012 um 10.00 Uhr, erklären wir die Kampagne und warum es sie braucht, anlässlich einer Pressekonferenz in Bern den Medien.

JA am 11. März 2012! Das Stimmvolk hat es jetzt in der Hand, mit der Annahme unseres Volksbegehrens griffige Massnahmen gegen den uferlosen Bau von Zweitwohnungen zu beschliessen.

Am 11. März 2012: Ja zur Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“

Heute Dienstag, 10. Januar 2012, hat das Initiativkomitee «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» in Bern seine Abstimmungskampagne offiziell eröffnet.

Ein Quadratmeter Boden wird in der Schweiz zugebaut. Jede Sekunde! Dazu trägt der Bau von Zweitwohnungen massgeblich bei. Diese sind besonders unsinnig, denn sie stehen 300 Tage pro Jahr leer. Ferienorte verkommen zu überteuerten Betonwüsten, wo sich kein Einheimischer mehr ein Logis leisten kann. Deshalb haben wir die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» lanciert. 20 Prozent. Das ist die Zielmarke der Initiative. Eine Gemeinde sollte nicht mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen aufweisen.

Bestehende Zweitwohnungen können aber erhalten bleiben, auch in Gemeinden mit einem Zweitwohnungs-Anteil von mehr als 20 Prozent. Die Zweitwohnungsinitiative ist nicht gegen die Bautätigkeit an sich, aber sie will verbindliche Schranken setzen. Unser Volksbegehren soll Auswüchse eindämmen und den Bauboom für Zweitwohnungen bremsen, der unsere schönsten Erholungsgebiete und Tourismusregionen zusehends zerstört.

Derweil suchen Politik und Gemeinden erfolglos nach Lösungen – seit Jahrzehnten. Unsere Initiative kommt jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir präsentieren ein ausgewogenes, optimales Lösungsmodell auf dem Silbertablett. Wer meint, dieses sei zu radikal, hat noch nicht begriffen, wie radikal die Situation in der Schweiz in Wirklichkeit ist. Das Ziel der Initiative, den Anteil an Zweitwohnungen pro Gemeinde auf 20 Prozent zu beschränken, ist mässig und realistisch.

Auch Franz Webers Alarmrufe im Engadin und im Lavaux wurden teils als „übertrieben und radikal“ abgestempelt. Doch ohne Webers unmissverständliche Forderungen wäre von diesen einzigartigen Regionen ausser einigen „geschützten“ Restinseln wenig übrig geblieben. Im Tirol, das mit der Schweizerischen Bergregion vergleichbar ist, wurde mit 8 Prozent übrigens schon in den 90er Jahren ein weit tieferer Zweitwohnungs-Anteil festgelegt. Und der Tourismus dort blüht!

Klar ist: Touristen suchen in der Schweiz unverdorbene Bergwelt und intakte, naturnahe Kulturlandschaften. Heimat bewahren, Natur retten, Bevölkerung schützen – dies sind deshalb die drei Eckpfeiler unserer Initiative: Schluss mit der Zerstörung von Ortsbildern. Schluss mit der weiteren Zerstörung der Landschaft. Schluss mit preistreibendem Bau-Wucher, der die Einheimischen aus dem eigenen Dorf vertreibt. Das sind die Ziele der Inititative.

Unsere Vorlage wird von folgenden politischen Parteien offiziell unterstützt:
SP Schweiz, EVP, Grüne Partei der Schweiz (Vorstand; Entscheid der DV noch ausstehend)

Weiter stellen sich 23 Vertreter/innen des Nationalrats und zwei des Ständerats offiziell hinter unser Volksbegehren

Umweltverbände:
Pro Natura, Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Association Môtiers, Mieterinnen- und Mieterverband Deutschschweiz

Hinzu kommen zahlreiche Politiker und Einzelpersonen aus allen Kantonen.